Dir war das wahrscheinlich klar, aber ich schreibe humoristische Fantasy. Sprich: phantastische Geschichten mit einem stark humorvollen Unterton. Das ist… ungewöhnlich. Die meisten Geschichten der zeitgenössischen Fantasy sind düster und tragend und schwer und episch und blutig und ach-so-grau.
Ich bin außerhalb der Norm. Tagesreisen entfernt vom Mainstream. Aber warum eigentlich? Warum schreibe ich lustige Geschichten und keine ernsten, die uns in die tiefsten Abgründe der (nicht-)menschlichen Seele blicken lassen? Ich habe ein paar Gründe dafür.
Eins: Die Rückkehr zum Eskapismus
Ein zentraler Punkt der Fantasy war immer die Realitätsflucht, der Eskapismus. Das wird sich nie ändern. Schon Tolkien hat das angeblich[1] gesagt und doch versucht die Fantasy immer stärker, realistisch zu sein. Ich lasse dich kurz auf diesem Widerspruch herumkauen. Wir haben graue Charaktere mit Untiefen über Untiefen. Wir haben reale Gefahren und Intrigen. Alles in dem Versuch, möglichst realistisch zu sein.
Die humoristische Fantasy kümmert sich nicht darum. Es geht nicht um graue Charaktere und möglichst realistische Darstellungen. Es geht nicht um Blut und Gewalt und Intrigen und Krieg. Obwohl… Eigentlich schon. Aber das Ziel ist ein anderes. Das Ziel ist das, das die Fantasy immer hatte: Eskapismus. Im besten Sinne.
Zwei: Die Nähe zu den Lesenden
In der Jagd nach dem Realismus hat die Fantasy – zumindest in meinen Augen – einen Denkfehler gemacht. Und nein, damit meine ich gar nicht den Versuch realistisch zu sein. Ich meine folgenden:
Die ganze Idee des Realismus in der Fantasy war, Charaktere und Szenarien zu schaffen, die für echte Menschen greifbarer sind. Die echter sind. Aber das ist dämlich. Die wenigsten von uns können sich auch nur ansatzweise mit Kriegen und Morden und Intrigen und politischem Kalkül und grauen-ach-so-grauen Charakteren identifizieren.
Lass uns ehrlich sein: Du und ich sind nicht besonders episch. Wir sind kuschelige, verpeilte und grundlegend nette Leute, die halt hin und wieder Fehler machen. Die humoristische Fantasy hat genau solche Charaktere. Keine starken Held_innen sondern einfache Leute. Leute mit Fehlern, ja. Aber diese Charaktere sind für uns sicher glaubhafter und näher als die Krieger in den epischen Schlachten.
Drei: Die ernste Welt
Dieser Grund für die humoristische Fantasy hängt mit den anderen beiden zusammen. Er ist auch ganz einfach erklärt: Wir leben in einer tragischen und furchtbaren Welt. Zumindest behaupten das gefühlt jede Nachrichtensendung, jede Zeitung, jeder Blog und mittlerweile auch viele Romane. Wir brauchen eine Möglichkeit, das zu verarbeiten. Humor ist so eine Möglichkeit.
Die humoristische Fantasy, wie ich sie betreibe, ist nicht blind gegenüber echten Problemen. Aber anstelle sie einfach nur neu durchzukauen und zu wiederholen, was wir ohnehin schon zu wissen glauben – die Welt ist furchtbar –, will ich sie mit Humor verarbeiten. Ernst an den Stellen, an denen sie ernst sein muss. Lustig an den anderen, um damit umzugehen.
Vier: Die Stilfrage
Das ist schnell erklärt. Manchen Schreibenden liegt die Tragik, das Drama, das Epos. Wenn ich versuche, so etwas zu schreiben, klingt es aufgesetzt. Anders schaut es bei der humorvollen Fantasy aus. Sie liegt mir. Ende der Geschichte, nächster Grund!
Fünf: Die Möglichkeiten
Ernsthafte, epische Fantasy muss immer ein paar Regeln folgen. Man braucht Kriege und Intrigen und böse Magier oder Bedrohungen und so weiter. Kurz: Man braucht das Drama. Die humoristische Fantasy hat solche Einschränkungen nicht. Solange es mit dem Weltenbau übereinstimmt, kann ich in ihr tun, was ich will.
Will ich ein Epos schreiben: Funktioniert. Eine Romanze? Her damit! Einen Politthriller, eine YA-Novel, eine Kriegsgeschichte, ein Märchen? Alles möglich. Und von den endlosen Möglichkeiten beim Weltenbau hab‘ ich noch gar nicht angefangen.
Sechs: Der Kontrast
Wann wirken traurige oder schmerzhafte Momente am stärksten?
- A) Wenn die ganze Geschichte schon schwer und tragend ist?
- B) Nach drei Drinks?
- C) Wenn sie auf einen leichten Moment folgen?
- D) In der Schwerelosigkeit?
Wenn du C) getippt hast, liegst du richtig. Und auch bei B), aber das ist eine andere Geschichte. Der Punkt ist der: Wenn das ganze Buch einen grundlegend amüsanten Tenor hat, wirken die Momente, die schön oder traurig oder schmerzhaft oder tragend sind, umso stärker. Diesen Rahmen bietet vor allem die humoristische Fantasy.
Sieben: Das Hipstertum in mir
Zum Abschluss noch ein Geständnis. Ich bin ein Hipster. Ein bisschen zumindest. Wenn ich also in der Buchhandlung stehe und nur epische, tragende Fantasy sehe, habe ich keinen Grund, auch so etwas zu schreiben. Frei nach der Devise: Warum etwas machen, dass alle anderen auch machen? Da bin ich lieber ein Hipster und mache das, was weniger Leute tun.
Acht: Grundlos
Vielleicht schreibe ich humoristische Fantasy aber einfach, weil ich sie mag. Weil ich frei nach C.S. Lewis die Geschichten schreibe, die ich selbst gern lesen würde. Und vielleicht hab‘ ich die ganzen Gründe einfach nur angeführt, um meine eigene Entscheidung zu erklären und dann haben sie mir gefallen. Vielleicht war es das.[2]
Wie die humoristische Fantasy auf den Inseln aussieht? Lies doch einfach selbst:
[1] Betonung auf angeblich. Tatsächlich ist das bekannte Zitat über die Herrlichkeit des Eskapismus nämlich gar nicht von JRRT, sondern von Ursula K. Le Guin. Die war zugegebenermaßen ein Fan des Manns mit den vielen Vornamen, aber eben doch nicht er. Sie hat mitunter den Erdsee-Zyklus geschrieben. Das Zitat stammt aus The Language of the Night: Essays on Fantasy and Science Fiction.
[2] War es. Ziemlich sicher. Ja.